Bangladesh – 19-Stunden-Schichten für Lidl-Textilien

Die Zwiespältigkeit, besser, Ratlosigkeit und Traurigkeit , die sich beim Lesen derartiger Artikel in mir breitmacht, ist nicht erst seit den verheerenden Bränden in Textilfabriken Bangladeshs vertraut.

Zitat (…) Der Arbeitstag beginne um 7 Uhr morgens und ende um 2.30 Uhr in der Nacht, berichtete ein BBC-Reporter, der verdeckt vor den Werkstoren recherchierte und später als Einkäufer getarnt die Fabrik besuchte. Ein Arbeiter wurde mit den Worten zitiert, er verdiene pro Schicht umgerechnet 2,40 Euro. Laut BBC wurden in der Fabrik gerade 150.000 Paar Jeans und Latzhosen für Lidl gefertigt (…)

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bangladesch-bbc-19-stunden-schichten-fuer-lidl-textilien-12586933.html

Schuldfrage(n)

Wie immer kann ich nur für mich sprechen:
Den Entschluss, als Vebraucher nicht ein Teil dieser Ausbeutungsmaschine sein zu wollen, habe ich bereits vor langer Zeit getroffen.
Ich bin über den „Trip“, stets hip jedem noch so blödsinnigen Modetrend zu folgen und dementsprechend zu kaufen, längst hinaus.
Es gibt (für mich) eine Menge Alternativen.
Mein „Missionieren“ 😉 , Mitmenschen zu bewegen, zumindest nicht bei den sattsam bekannten Profiteuren (Lidl,Aldi,KIK,Zara ff) einzukaufen, habe ich eingestellt. Vielleicht habe ich es falsch aufgezogen, denn ausser einer Handvoll Menschen konnte/wollte niemand meinen Argumenten folgen.
Der Verbraucher hat es ein Stück weit in der Hand, diese Unsäglichkeiten zu beenden. Aber eben nur ein Stück weit.
Den Käufer dieser Textilien trifft also auf den ersten Blick eine Teil“Schuld“ an den unsäglichen Arbeitsbedingungen.

Doch darf man wirklich von Mitschuld sprechen, wenn eine allgegenwärtige Gehirnwäsche (insbesondere) in Form von Werbung die „Geiz-ist-geil-Mentalität“ anfeuert? Liegt die Schuld nicht mehr bei den Manipulateuren als bei den Manipulierten?

Wer kaum Geld hat, muss billig einkaufen. Diejenigen, die erwerbslos oder prekär beschäftigt sind, brauchen aber auch dann und wann eine neue Hose über dem Popo. Sie sind also ebenfalls ein Teil der Ausbeutung, als Ausgebeutete auf der anderen Seite der Erdkugel. Sie würden vielleicht sogar gerne mehr bezahlen, können es aber nicht.

Was würde geschehen, wenn -theoretisch- niemand mehr diese Ware erwerben würde? Würden wir damit wirklich die Profiteure in die Knie zwingen? Würden dann wirklich in Bangladesh anständige Löhne gezahlt? Löhne, es ermöglichen, ein würdevolles Leben jenseits der Sklaverei zu führen?
Oder würden dann 100.000de Menschen in Bangladesh, Indien ect. dann überhaupt noch die Chance haben, zu überleben?
Wäre ein Boykott -theoretisch- der wirklich effektive Weg zugunsten aller?

Ich denke, diese Fragen kann man nicht stellen, ohne schlußendlich wieder einmal bei der Systemfrage anzukommen…

Erste Schritte

Ich las vor einiger Zeit eine, aus meiner Laiensicht glaubwürdige, Studie, in welcher ausgerechnet wurde, dass nur 20 Cent mehr beim Endverkaufspreis eines T-Shirts, welche ausschließlich den Arbeitern in den Textilfabriken zukäme, deren Lage enorm verbessern würde.
Liegt die Schuld also nicht vielmehr bei den Konzernen, die aus purer Gier einen solchen ersten Schritt nicht einleiten?
Ein solcher Schritt müsste vor Ort „überwacht“ werden.
Was hindert die jeweiligen Konzerne daran, dauerhaft vor Ort Mitarbeiter abzustellen, die die Einhaltung anständiger Arbeits-und Lohnbedingungen permanent überwachen?
Wieviele Fabriken gibt es, wieviele Mitarbeiter des „Controlling“ würden benötigt?
300, 400, 500? Natürlich, das würde Geld kosten, Geld, welches die Rendite schmälert.
Bei einem Vermögen von 12 Milliarden Euro des Herrn Schwarz (Lidl) und Ü17 Milliarden Euro des Albrecht-Clan (Aldi) sehe ich das aber sehr unproblematisch…

Es ist mir somit völlig unbegreiflich, dass diese Konzerne nicht in der Lage sein sollen, örtliche Vertreter ihrer Unternehmen dort zu installieren, welche die Arbeitsbedingungen überwachen.

4 Kommentare zu “Bangladesh – 19-Stunden-Schichten für Lidl-Textilien

  1. Vielleicht sollten Warnbilder, mit arbeitenden Kindern oder ähnliches, auf solche Textilien gedruckt werden. Wie bei den Kippen aus Spanien… Der Vebraucher hat auch selten die Informationen, wodurch ein Informationengefälle besteht….

    Allerdings ist dies mit den globalen Verflechtungen schwer zu beurteilen und Lösungsmöglcihkeiten gibt es nciht wirklich… Aber die Schuldzuweisung auf die Verbraucher ist nicht richtig, deswegen wären rechtlcihe Schritte auf jeden Fall nötig.

  2. Appropos…kennst Du noch die Radiosatire im Hessischen Rundfunk von 1975?
    Da gab es regelmäßig eine Sparte, die hieß: „Papa, Charly hat gesagt….“…;-))
    Nebenbei zur eigentlichen Sache: Ich geh auf den Flohmarkt oder frage Nachbarn, so geht’s auch.

  3. @ellen
    „Ich denke, diese Fragen kann man nicht stellen, ohne schlußendlich wieder einmal bei der Systemfrage anzukommen…“
    Ich auch.
    Letztlich haben wir als sogenannte „Verbraucher“, welch ein blödes Wort, keinen Einfluß auf die Produktionsbedingungen in Südostasien, ebenso wenig auf die Preisgestaltung der dahinter stehenden Verkaufskette.
    Will’s mal so sagen, ein Kaschmirpullover, ein Kamelhaarmantel, ein Persianer oder einfach nur ein echter handgeknüpfter Teppich hier in Deutschland ein halbes Vermögen kosten können. Es ist die Handelsspanne von 600-über 1000% die das Kapital aufgereizt hat, aber das kennst Du bestimmt von Charly..;-)
    Nebenbei mal bemerkt: Was hält KIK davon ab, die 50 cent Hose oder das 30 cent Kleid für 70 € hier zu verticken?

    • aber das kennst Du bestimmt von Charly..

      Jow Carlo, der Kalle ist bei mir mittlerweile schon irgendwie zum „Propheten“ aufgestiegen 😉 …

      Ich denke, was ich hier (teils „exzessiv“) betreibe, ist trotz gesunden Bewusstseins und tiefer Überzeugung dennoch nur eine Beruhigungspille bzw. ein „Pflästerchen auf die Wunde Hilflosigkeit“ für mich.
      Meine „NoGo-Liste“ umfasst so viele Konzerne, Firmen, Vertreiber…aber ich kann eben nicht alle Hintergrundschweinereien kennen und trotz konsequenter 2nd-Einkäufe bei Textilien und auch sonstiger Vermeidung (u.A. Apple,Nokia,Müller, Wiesenhof ect.pp.)…irgendwo muss auch ich einkaufen und das bei schmalem Budget.
      Und bei den unvollständig Genannten handelt es sich „nur“ um die mit den schweinischen Produktionsbedingungen, dazu kommen die ganzen anderen Beschei*** mit ihrem genmanipulierten Dreck usw usw usw.

      Was Textilien angeht, weiß ich derzeit nur von 2 großen Firmen, die auch ihre Stoffe/Wirkwaren definitiv nicht in diesen Ländern produzieren lassen – das Thema Stoffherstellung ist übrigens viel zu selten Thema, denn da geht es teils noch unmenschlicher zu als in den Verarbeitungsbetrieben – das sind Trigema und J.P. Gaultier. Daneben gibt es noch ein paar kleine Öko-Labels. Bezahlbar sind diese Sachen eher nicht für „uns“, daher ja auch meine Formulierung exzessiv…ich klappere viele Trödelmärkte ab, um dann ab und an fündig zu werden.
      Die Sauerei ist ja (wie Du richtig schriebst), dass ein hoher Preis in Läden, von denen man es nicht weiß, nicht vor Brutalo-Produktion-Profiteuren schützt…

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