Worum geht es?
Einmal mehr um die Schlechterstellung erwerbsloser Bürger, diesmal bezogen auf Hamburg.
Nicht-Hanseaten können, dürfen und sollten (aus meiner Sicht) dennoch mitzeichnen, denn die Hansestadt könnte hier durchaus als ein „apokalyptischer (Vor)Reiter“ fungieren…
Am 23.10.2013 verkündete der hamburgische Senat eine massive Einschränkung im Bereich der psychosozialen Beratung für erwerbslose Menschen (Drucksache 20/9375). Die federführende SPD-Fraktion hielt es trotz massiver Kritik von Trägern, Wohlfahrtsverbänden und Opposition nicht für notwendig, die einschneidenden Veränderungen im Sozialausschuss zur Diskussion zu stellen, wie es demokratischen Gepflogenheiten üblicherweise entspricht.
Inhaltlich umfasst die vorgesehene Umstrukturierung folgende Punkte:
Unabhängigkeit?
Bei Konflikten mit dem Jobcenter sollen sich betroffene Menschen zukünftig nicht mehr an unabhängige Beratungsstellen wenden – sondern an das Jobcenter selbst. Einer staatlichen Institution die alleinige Aufklärung über Rechte zuzusprechen, die Menschen eben dieser Institution gegenüber haben, spricht rechtsstaatlichen Prinzipien Hohn. Leidtragende dieser absurden Maßnahmen sind ca. 100.000 erwerbslose und/oder unterbeschäftigte Menschen in Hamburg.
Vertraulichkeit?
Im Jobcenter soll künftig über längerfristige Beratung entschieden werden. Das heißt: Erwerbslose Menschen müssen sich im Jobcenter als psychisch instabil registrieren lassen, um von dort eine „Beratungsgenehmigung“ erhalten zu können. Dies wird dazu führen, dass viele Menschen diese Angebote nicht mehr in Anspruch nehmen werden – aus Scham oder Angst, dass diese Informationen gegen sie verwendet werden könnten. Fragwürdig ist überdies, auf welcher Grundlage Jobcenter-MitarbeiterInnen zwischen „beratungswürdigen“ und „beratungsunwürdigen“ Menschen selektieren sollen (und können).
Des Weiteren werden die Beratungsstellen verpflichtet, das Jobcenter regelmäßig über den Verlauf der Beratung zu unterrichten. In einer Beratung geht es oft um intime und sehr vertrauliche Informationen. Deren Weitergabe an Außenstehende ist nicht nur unvereinbar mit der Schweigepflicht von BeraterInnen. Allein der Verdacht der Datenweitergabe reicht schon aus, um den Sinn einer psychosozialen Beratung grundsätzlich in Frage zu stellen.
Offenheit?
Es ist vorgesehen, dass die bestehenden psychosozialen Beratungsangebote zukünftig nicht mehr allen erwerbslosen Menschen offen stehen werden. Stattdessen wird der Personenkreis auf Arbeitslosengeld II – EmpfängerInnen eingeschränkt. All jene, die Beratungsbedarf haben, jedoch in Krankengeld- bzw. Arbeitslosengeld I – Bezug sind, von Angehörigen unterstützt werden oder schlicht nicht unter Hartz IV fallen möchten, haben keine Chance mehr auf eine Jobcenter-unabhängige psychosoziale Beratung.
Das bedeutet: Tausende von Menschen werden ohne Beratung dastehen. Wenn eine rechtzeitige Unterstützung verwehrt wird, kann dies für Betroffene dramatische Folgen haben. Auf gesellschaftlicher Ebene ist eine Mehr-Belastung des Gesundheitssystems längerfristig vorprogrammiert.
Eine solche „Neuausrichtung“ wird nicht – wie von politischer Seite verkündet – „eine Verbesserung der Beratung und Betreuung von Arbeitslosen“ zur Folge haben. Im Gegenteil: Die ohnehin schon von schweren Belastungen geprägte Lage der Erwerbslosen wird sich im Zuge der Umstrukturierung dramatisch verschlechtern!